Auf UNTAG Mission im kargen Süden
Da es mich nun einmal in den Süden verschlagen hatte, möchte ich mich jedoch vorwiegend dem dort Erlebten zuwenden. Nach drei Tagen in Windhuk verlegten wir in die Einsatzorte. Mariental, das nach 270 km als dritte Ortschaft hinter Windhuk am endlos langen Asphaltband auftauchte, sollte uns für die nächsten 5 Monate zur zweiten Heimstatt werden.
Die Kleinstadt von etwa 5.600 Einwohnern erstreckte sich entlang einer kurzen Hauptgeschäftsstraße mit vielen Flachbauten, ,Trinke "Windhuk-Special“, Lion’s Lager“ und "Coca Cola“ riefen uns die großen Werbebanner von den Dächern zu. Obwohl noch nie in Amerika gewesen, fühlte ich mich irgendwie in eine Kleinstadt des mittleren Westens der USA versetzt. Parallel zur Straße verlief die Bahnstrecke in Nord-Süd Richtung. Auch gab es hier drei Banken, 6 Tankstellen, ein paar kleine Geschäfte und einen Supermarkt. Den hätten wir gern gegen jede Kaufhalle daheim eingetauscht, so hervorragend war sein Angebot. Kulinarischer Höhepunkt der Stadt: Restaurant Guglhupf.
Mariental war einer von drei Standorten im Süden des Landes in denen Volkspolizisten ihren Dienst im Rahmen der CIVPOL versahen.
Bibliothek, Videothek und Sportplätze, die wir später entdeckten, waren eine willkommene Abwechslung in den langen Stunden nach Dienst. Etwas abseits von der Wohnsiedlung der Weißen lagen Empelheim und Aimablacte, die Townships der farbigen und schwarzen Bewohner Marientals.
Die CIVPOL Station der UNTAG in Mariental - Charlie-Bravo Base genannt im UN-Funkverkehr.
Auf der CIVPOL-Station empfing uns freundlich Theo, ein niederländischer Kollege, der uns die ersten Fragen beantworten konnte: „Ja, das Leitungswasser sei generell trinkbar, Moskitos gebe es noch keine und es sei üblich, Privatunterkünfte zu nehmen.
Wir mieteten uns wenige Tage später bei einer deutschen Familie ein, wo für uns gekocht und gewaschen wurde und wir mit den wichtigsten Annehmlichkeiten der Zivilisation versorgt waren. Der enge Kontakt zu den „Locals“ zahlte sich später aus, erhielt man doch mehr Einblick in Denk-weise und Leben der "Südwester". So konnten wir intensiver an ihrem sozialen Leben teilnehmen, ob beim Federball mit den Töchtern des Hauses, der Springbockjagd oder dem BBQ, hier "Brai" genannt.
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Grillabend im Hause eines Farmers, an dem auch einige lokale Parteiführer und ziviles UNTAG Personal teilnahmen.
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Auf Springbockjagd auf dem Farmgelände eines Freundes unser Quartiereltern mit seiner ganzen Familie während des Jahreswechsels 1989 / 1990.
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Verschiedene unserer Kollegen hatten bereits Monate zuvor die besten Häuser gemietet, zum Teil mit modernster Ausstattung, Klimaanlage und Swimming Pool. Wir haben unsere Wahl jedoch nie bereut, waren wir doch selbst zu Weihnachten und Silvester im "Schoße einer richtigen Familie“ gut aufgehoben. Der Deutsche liebt es halt gemütlich.
Mani und Lora konnte man weder als reich, noch als arm bezeichnen. Ihr Leben war hart. Mani arbeitete als Mechaniker bei den Wasserwerken, Lora betrieb einen kleinen Blumenladen. Zwei ihrer Töchter studierten bereits: Heidi Pädagogik in Windhuk und Sonja Betriebswirtschaft in Stellenbosch (RSA). Tanja, die jüngste, besuchte noch die Schule in Mariental. Unsere Miete war also ein willkommenes Zubrot für die Familienkasse. Schnell wurde die Garage vom Gerümpel befreit, Feldbetten und einige Möbel aufgetrieben und fertig war die Unterkunft. |
Unsere CIVPOL-Station, eine mit UKW- und KW-Funk, Telefon, Fax, Fernschreiber, Kopier- und Schreibmaschinen vorzüglich ausgestattete Raumzelle in der steinigen Landschaft, war zum damaligen Zeitpunkt mit 35 Polizeibeobachtern aus Schweden, Österreich, Indonesien, Holland, Tunesien, Fidschi, Kanada und nun auch der DDR besetzt. Durch eine Rotation nach den Wahlen kamen später noch pakistanische, belgische, norwegische und Kollegen aus Bangladesch hinzu. Um es vorwegzunehmen, die Zusammenarbeit mit ihnen war hervorragend. Auch wenn das Interesse an den Veränderungen zu Hause groß war, nie gab es aufdringliche oder provokante Fragen. Es herrschte ein kameradschaftlicher, humorvoller Ton und Toleranz wurde groß geschrieben. |
Kollegen aus Indonesien beim Abfassen des Patrouillen- Berichtes
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So machte die Arbeit natürlich Spaß, sicher auch deshalb, weil uns niemand hineinredete und wir absolut selbstständig entscheiden konnten. Die nächste vorgesetzte CIVPOL-Stelle lag ca. 350 km nordöstlich in Gobabis und wenn sie regelmäßig ordentliche Berichte per Fax erhielten, war man es zufrieden. Zu diesem Zeitpunkt war unsere Station schon fest in der Hand der Europäer.
Ein schwedischer und vor allem österreichischer Kollege hatten ein gut funktionierendes Dienstsystem eingeführt, dem sich alle bereitwillig unterordneten. In manchen UNTAG Stationen hatten Spaßvögel Sticker and der Wand befestigt mit folgendem Inhalt: “Das Paradis ist, wo die Polizei Iren, die Köche Franzosen, die Mechaniker Deutsche, die Casanovas Italiener sind – und alles organisiert von den Schweizern. Die Hölle dagegen ist, wo der Kommandeur ein Brite, die Mechaniker Franzosen, die Casanovas Schweizer, die Polizei Deutsche sind – und das alles organisiert von den Italienern.“ Vermutlich irischer Humor. Na ja, bei uns lief es jedenfalls auch ganz gut.
Als wir Mitte Oktober in Namibia eintrafen, war die Wählerregistrierung bereits abgeschlossen und der Wahlkampf tobte in seiner letzten Phase. Täglich gab es ein bis zwei Wahlveranstaltungen der verschiedensten Parteien zu beobachten. Der UNO kam es auf die Einhaltung bestimmter Rahmenbedingungen an, hauptsächlich, daß sie fair und gewaltlos abliefen. Ich mußte jedoch oft ansehen, daß gerade die DTA und die kleineren Parteien die Gelegenheit nutzten, um gegen die SWAPO zu Felde zu ziehen, anstatt eigene Zielvorstellungen zu erläutern und Wege dorthin aufzuzeigen.
Mitunter war zu beobachten, wie zusammenhangslos einzelne Elemente der künftigen Verfassung ausgeschlachtet wurden, wie z.B. die Rechte des Präsidenten oder die Frage, ob ein Ein- oder Mehrkammerparlament besser sei, anstatt den einfachen Leuten zu sagen, wie künftig die Wirtschaft, die Bildung, die Farmhaltung, das Wohnraumproblem oder Eigentumsformen gestaltet werden sollten. Oft wurde SWAPO mit Kommunismus gleichgesetzt und der Teufel in den schlimmsten Farben an die Wand gemalt.
Ein schwedischer und vor allem österreichischer Kollege hatten ein gut funktionierendes Dienstsystem eingeführt, dem sich alle bereitwillig unterordneten. In manchen UNTAG Stationen hatten Spaßvögel Sticker and der Wand befestigt mit folgendem Inhalt: “Das Paradis ist, wo die Polizei Iren, die Köche Franzosen, die Mechaniker Deutsche, die Casanovas Italiener sind – und alles organisiert von den Schweizern. Die Hölle dagegen ist, wo der Kommandeur ein Brite, die Mechaniker Franzosen, die Casanovas Schweizer, die Polizei Deutsche sind – und das alles organisiert von den Italienern.“ Vermutlich irischer Humor. Na ja, bei uns lief es jedenfalls auch ganz gut.
Als wir Mitte Oktober in Namibia eintrafen, war die Wählerregistrierung bereits abgeschlossen und der Wahlkampf tobte in seiner letzten Phase. Täglich gab es ein bis zwei Wahlveranstaltungen der verschiedensten Parteien zu beobachten. Der UNO kam es auf die Einhaltung bestimmter Rahmenbedingungen an, hauptsächlich, daß sie fair und gewaltlos abliefen. Ich mußte jedoch oft ansehen, daß gerade die DTA und die kleineren Parteien die Gelegenheit nutzten, um gegen die SWAPO zu Felde zu ziehen, anstatt eigene Zielvorstellungen zu erläutern und Wege dorthin aufzuzeigen.
Mitunter war zu beobachten, wie zusammenhangslos einzelne Elemente der künftigen Verfassung ausgeschlachtet wurden, wie z.B. die Rechte des Präsidenten oder die Frage, ob ein Ein- oder Mehrkammerparlament besser sei, anstatt den einfachen Leuten zu sagen, wie künftig die Wirtschaft, die Bildung, die Farmhaltung, das Wohnraumproblem oder Eigentumsformen gestaltet werden sollten. Oft wurde SWAPO mit Kommunismus gleichgesetzt und der Teufel in den schlimmsten Farben an die Wand gemalt.
Wahlveranstaltung der DTA mit großem Zulauf aus vielen ethnischen Gruppen.
Leider hatte sich zu diesem Zeitpunk die SWAPO mit ihren Gefangenenlagern in Angola sowie durch den 9-Tage-Krieg im April 1989 unnötig diskreditiert und keine saubere Stellung dazu bezogen, so daß sich auch leicht Ansatzpunkte für Schuldzuweisungen fanden.
Heute stand eine SWAPO Wahlveranstaltung in Aranos auf dem Programm. Nach dreistündiger Fahrt im Schweinsgalopp durch die wellige Kalahari kommen wir gerade noch rechtzeitig an. Die Polizei ist schon vor Ort, hält sich aber brav zurück. Das Bild erinnert irgendwie an zu Hause. Erst treten Kinder auf, die ein Lied auf Sam Nujoma anstimmen – die jungen Pioniere sozusagen. Dann werden die Funktionäre vorgestellt. Auf der Demonstration sind die Schwarzen unter sich. In fünf Sprachen - Afrikaans, Herero, Nama, Oshivambo und Englisch - wird von fünf Rednern "One Namibia, one Nation" beschworen. Heute finden sich nicht viele Motive für meine Kamera. Während der dreistündigen Massenandacht fällt über Sozialismus kein einziges Wort mehr. Viele fürchten, der Sozialismus sei so schlimm wie die Apartheid. Aber Swapo hat ja versprochen: "Kein Sozialismus in Namibia." Vor der Rückfahrt schnell noch die Zellen auf der Polizeiwache kontrolliert. Wir hatten Glück, sie waren leer. Aranos ist nun mal nicht die Bronx in New York.
Heute stand eine SWAPO Wahlveranstaltung in Aranos auf dem Programm. Nach dreistündiger Fahrt im Schweinsgalopp durch die wellige Kalahari kommen wir gerade noch rechtzeitig an. Die Polizei ist schon vor Ort, hält sich aber brav zurück. Das Bild erinnert irgendwie an zu Hause. Erst treten Kinder auf, die ein Lied auf Sam Nujoma anstimmen – die jungen Pioniere sozusagen. Dann werden die Funktionäre vorgestellt. Auf der Demonstration sind die Schwarzen unter sich. In fünf Sprachen - Afrikaans, Herero, Nama, Oshivambo und Englisch - wird von fünf Rednern "One Namibia, one Nation" beschworen. Heute finden sich nicht viele Motive für meine Kamera. Während der dreistündigen Massenandacht fällt über Sozialismus kein einziges Wort mehr. Viele fürchten, der Sozialismus sei so schlimm wie die Apartheid. Aber Swapo hat ja versprochen: "Kein Sozialismus in Namibia." Vor der Rückfahrt schnell noch die Zellen auf der Polizeiwache kontrolliert. Wir hatten Glück, sie waren leer. Aranos ist nun mal nicht die Bronx in New York.
Gläubige aller Coleur strömen zum Gottesdienst in Aranos
Die Botschaft vom Zusammenbruch sozialistischer Machtstrukturen in Europa kam gerade noch rechtzeitig an und die SWAPO lernte mit jedem Tag dazu. Ihr Vorgehen kurz vor, während und vor allem nach der Wahl Anfang November 1989 war von politischem Instinkt, Sachverstand und mehr Verantwortungsbewußtsein gekennzeichnet, als ihre militärischen Aktionen Monate zuvor. Davon zeugte zum Beispiel ein umfangreiches Wahlprogramm mit Aussagen zu allen wichtigen Fragen der Zukunft des Landes. Die SWAPO hatte sogar einen deutschstämmigen Farmers in ihre Kandidatenliste aufgenommen, der nicht einmal Mitglied der Partei war.