Der letzte war ein Weißer – Wahlen in Maltahöhe
Dann endlich die Wahlen. Wir wurden aufgeteilt auf die festen Standorte von Wahlurnen in den wenigen Siedlungen unseres Zuständigkeitsgebietes. Der begehrteste Job jedoch waren die fliegenden Wahlurnen, mit denen die unzähligen Farmen angefahren wurden.
Ein tunesischer Kollege und ich wurden ins 120km entfernt gelegene Maltahöhe entsandt. Unsere Aufgabe war vornehmlich, die ausgefüllten Stimmzettel in den versiegelten Wahlurnen über Nacht zu bewachen und mit nichts als unserem Leben zu verteidigen. Abschreckung pur! Dazu wurden die Urnen in der Zelle der Polizeistation, die gleich neben dem Wahlbüro lag, eingeschlossen, während wir vor den Gitterstäben die Gekkos verscheuchten und die Riesenschildkröte beobachteten, die sich mühsam über den Rasen schob. Andere Gestalten ließen sich Gott sei Dank nicht blicken. Viel hätten wir auch nicht ausrichten können. Am Morgen nach dem letzten Wahltag wurden die Urnen von uns zum Flugplatz nach Mariental übeführt, von wo sie ein Kleinflugzeug nach Windhuk zum Auszählen transportierte. Abgesehen vom völlig mit Einschüssen übersäten Tower am Rande des Rollfeldes war das alles wenig spektakulär.
Owahimba Frauen reihen sich in die Schlange vor dem Wahllokal ein
Um so beindruckender war die Wahl selber. Die Wahllokale sollten von Dienstag, dem 07. November bis Samstag, dem 11. November von 07:00 bis 19:00 Uhr geöffnet haben. Alle Bürger waren informiert worden; „Die Wahl ist geheim. Niemand wird wissen, wer für wen gestimmt hat. Niemand wird sagen können, wem welcher Stimmzettel gehört. UNTAG wird die Stimmabgabe und die Auszählung überwachen.“
Lange vor 07:00 Uhr des ersten Wahltages reihten sich die ersten Wähler in die Schlange, die schnell länger wurde und nicht mehr abriß. Es waren ausschließlich Schwarze und Farbige, die da ihr Bürgerrecht zu wählen zum ersten mal in ihrem Leben wahrnahmen. Die Schlangen waren oft so lang, daß manche Wahllokale erst um Mitternacht schließen konnten. Allein am ersten Tag gaben über 200.000 Namibianer ihre Stimme ab. Mit stoischer Geduld und sichtbarem Stolz standen sie oft stundenlang in der prallen Sonne des Tages, in einer bunten Prozession mit Sonnenschirmen, bis ihre Stimmabgabe an der Reihe war. Das ging 5 Tage lang so. Erst am letzten Tag, eine Stunde vor Schließung des Wahllokals, reihten sich die ersten Weißen in das Ende der schwarzen Schlange ein. Es war ein älteres Ehepaar, grauharig mit zerfurchten Gesichtern eines langen Lebens. Deutlicher konnte sich der Wandel im Lande nicht darstellen.
Lange vor 07:00 Uhr des ersten Wahltages reihten sich die ersten Wähler in die Schlange, die schnell länger wurde und nicht mehr abriß. Es waren ausschließlich Schwarze und Farbige, die da ihr Bürgerrecht zu wählen zum ersten mal in ihrem Leben wahrnahmen. Die Schlangen waren oft so lang, daß manche Wahllokale erst um Mitternacht schließen konnten. Allein am ersten Tag gaben über 200.000 Namibianer ihre Stimme ab. Mit stoischer Geduld und sichtbarem Stolz standen sie oft stundenlang in der prallen Sonne des Tages, in einer bunten Prozession mit Sonnenschirmen, bis ihre Stimmabgabe an der Reihe war. Das ging 5 Tage lang so. Erst am letzten Tag, eine Stunde vor Schließung des Wahllokals, reihten sich die ersten Weißen in das Ende der schwarzen Schlange ein. Es war ein älteres Ehepaar, grauharig mit zerfurchten Gesichtern eines langen Lebens. Deutlicher konnte sich der Wandel im Lande nicht darstellen.
Muster eines Wahlzettelsels
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Die Regeln sahen vor, daß jeder Wähler seine Wahlregistrierungs- karte sowie ein ID Dokument mit einer Photographie mitbringen sollte. Hatte er keines zur Verfügung, genügte auch ein Zeuge, der den besagten Wähler offiziell identifizieren konnte. Danach wurden die Hände unter UV-Licht geprüft. Hätte jemand versucht, ein zweites mal zu wählen, wäre ein spezielle Tinte sichtbar geworden, mit der ein jeder während der Wahl in Berührung kam. Danach wurden der Fingerabdruck oder die Unterschrift mit der auf der Wahlregistrierungskarte vergli- chen und letztere eingezogen. Im Anschluß wurde ein gefalteter Wahlzettel ausgegeben, der in einer geschlossenen Wahlkabine auszufüllen war. Jeder sollte nur ein Kreuz hinter der Partei seiner Wahl machen. Danach war der wieder gefaltete Wahlzettel in die Urne einzuwerfen. Die Urnen wurden täglich versiegelt.
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Für Analphabeten, die mit den Namen oder Symbolen der 10 Parteien nicht vertraut waren, standen zivile UN-Wahlhelfer bereit. Nur bei Behinderten durften die Wahlhelfer die Kabine mit dem betreffenden Wähler betreten.
Es gab noch weitere Sonderfälle. Falls die Identifizierung eines Wählers nicht möglich gewesen sein sollte, dann wäre sein Stimmzettel nicht in der normalen Wahlurne sondern in einem doppeltem Umschlag gelandet, der in einer speziellen Urne aufbewahrt und vorgezogen ausgezählt werden sollte, sobald die doppelte Registrierungskarte mit dem zentralen Wählerregister in Windhuk verglichen worden wäre. Es war also an alles gedacht worden.
Zur Wahl standen diese zehn Parteien, die am Ende folgende Stimmen erhielten:
Es gab noch weitere Sonderfälle. Falls die Identifizierung eines Wählers nicht möglich gewesen sein sollte, dann wäre sein Stimmzettel nicht in der normalen Wahlurne sondern in einem doppeltem Umschlag gelandet, der in einer speziellen Urne aufbewahrt und vorgezogen ausgezählt werden sollte, sobald die doppelte Registrierungskarte mit dem zentralen Wählerregister in Windhuk verglichen worden wäre. Es war also an alles gedacht worden.
Zur Wahl standen diese zehn Parteien, die am Ende folgende Stimmen erhielten:
Insgesamt wurden also 683.688 stimmen abgegeben, davon waren 9.585 Stimmen ungültig.
Doch bis zur Verkündung des endgültigen Wahlergebnisses wurde es noch mal spannend in Maltahöhe. Im Süden dominierten, wie gesagt, die Weißen. Aufgrund der geringeren Bevölkerungsdichte lagen die regionalen Wahlergebnisse des Südens zuerst vor und wurden im Rundfunk bekannt gegeben. Die Weißen jubelten. Für einige Tage lag ihre DTA unerreicht vorn und die Schwarzen zogen den Kopf ein. "Es wird schon alles gutgehen. Südafrika läßt uns nicht im Stich. Der Himmel ist mit uns" - so beteten die Buren ein Wunder herbei. Dann standen die ersten Auszählungsergebnisse aus dem Norden des Landes zur Verfügung und der Vorsprung schmolz dahin wie Schnee in der Sonne. Die Weißen wurden zunehmends unruhig. Die Tage vergingen bis das endgültige Ergebnis feststand: Die SWAPO hatte mit 56%, wie nicht anders zu erwarten gewesen, die absolute Mehrheit errungen!
Doch bis zur Verkündung des endgültigen Wahlergebnisses wurde es noch mal spannend in Maltahöhe. Im Süden dominierten, wie gesagt, die Weißen. Aufgrund der geringeren Bevölkerungsdichte lagen die regionalen Wahlergebnisse des Südens zuerst vor und wurden im Rundfunk bekannt gegeben. Die Weißen jubelten. Für einige Tage lag ihre DTA unerreicht vorn und die Schwarzen zogen den Kopf ein. "Es wird schon alles gutgehen. Südafrika läßt uns nicht im Stich. Der Himmel ist mit uns" - so beteten die Buren ein Wunder herbei. Dann standen die ersten Auszählungsergebnisse aus dem Norden des Landes zur Verfügung und der Vorsprung schmolz dahin wie Schnee in der Sonne. Die Weißen wurden zunehmends unruhig. Die Tage vergingen bis das endgültige Ergebnis feststand: Die SWAPO hatte mit 56%, wie nicht anders zu erwarten gewesen, die absolute Mehrheit errungen!
Namas und Ovambos von Maltahöhe, überglücklich über Ihren Wahlsieg und den der SWAPO
Plötzlich patroullierten bewaffnete weiße Milizen auf den Straßen. Die Farbigen und Schwarzen waren überglücklich, wagten aber nicht, ihrer Freude Ausdruck zu verleihen. Die Luft knisterte vor Spannung. Ein falscher Schritt, und es konnte zu unabsehbaren Folgen kommen. Beide Seiten hatten ganz offenbar Angst voreinander. Die Farbigen hatten manchmal ganz krause Vorstellungen geäußert, was es denn hieß, einen Wahlsieg zu erringen. Würden jetzt alle Weißen enteignet werden? Konnte man sich nun offen gegenüber seinem Arbeitgeber auflehnen? Konnte man seinen Bas nun vielleicht zum Teufel jagen und bekam obendrein noch seinen Besitz? Es gab die verrücktesten Erwartungen.
Wir UNTAG Vertreter, die zivilen UNTAG Beamten und die CIVPOL verständigten uns kurz. Es schien angebracht, den Siegestaumel der Bevölkerung in Grenzen zu halten. Wir wandten uns gemeinsam an die Vertreter der verschiedenen Kirchen. Sie halfen uns über ihre Gemeinden die Farbigen und Schwarzen zur Zurückhaltung zu bewegen, was auch gelang. Nach einer knappen Woche kehrte wieder Alltag ein in Maltahöhe und wir verlegten zurück nach Mariental.
Wir UNTAG Vertreter, die zivilen UNTAG Beamten und die CIVPOL verständigten uns kurz. Es schien angebracht, den Siegestaumel der Bevölkerung in Grenzen zu halten. Wir wandten uns gemeinsam an die Vertreter der verschiedenen Kirchen. Sie halfen uns über ihre Gemeinden die Farbigen und Schwarzen zur Zurückhaltung zu bewegen, was auch gelang. Nach einer knappen Woche kehrte wieder Alltag ein in Maltahöhe und wir verlegten zurück nach Mariental.
Klaus Heynig – Chef der zivilen UNTAG -Mission Maltahöhe und gebürtiger West-Berliner mit seinem Deputy aus Kenia. Als zwei alte Hasen im UN-Geschäft trugen sie wesentlich zum friedlichen Ausgang der Wahlen in der Region bei.
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Im November 1989 errang die SWAPO in den ersten Parlamentswahlen unter starkem UNO-Schutz eine 56 %-ige Mehrheit als konstituirende Macht, die die Verfassung beschließen und die wichtigsten Staatsinstitutionen wählen kon- nte. Die damalige Zusammen- setzung der Regierung mit Vertretern verschiedener Parteien, die Zulassung unterschiedlicher Eigentumsformen in der Wirt- schaft oder das sehr zurück- haltende Vorgehen bei der Änderung von Besitzverhältnissen, um nur einige Beispiele zu nennen, gaben uns Anlaß zu der Hoffnung, daß Namibias Demokratie und Wirtschaft von Bestand sein würden, ungeachtet der Vielzahl anderer Probleme wie 20% Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot, einer Analphabetenrate von 70% unter der schwarzen Bevölkerung, territorial unterschiedlich entwickelter Infrastrukturen, wirt- schaftlicher Strukturfragen oder sozialer und kultureller Unterschiede des Vielvölkerstaates.
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Nach der Unabhängigkeitserklärung Namibias zirkulierte die spöttische Bezeichnung SWAPONIA in intellektuellen weißen Kreisen Windhuks mit dem Hinweis, daß es sich bei dem gerade aus der Taufe gehobenen Staatsgebilde eigentlich nur um ein Ovambo Homeland handele unter Ausschluß der rassischen Minderheiten Südwestafrikas, Deutsche inbegriffen. Was war bei den Wahlen geschehen? Angesichts einer Bevölkerung von etwa 1,3 Mio. damals und 2.1 Mio. heute, darunter nach wie vor 80.000 Weißen, hatte die SWAPO leichtes Spiel sämtliche parlamentarische Schlüsselpositionen zu besetzen, gestützt auf die zweifelhaften Segnungen des eifrig forcierten Tribalismus. Die ethnische Gruppe der Ovambos beanspruchte eine rassische Führerrolle dank ihrer überwältigenden Bevölkerungszahl bzw. Zahl von Stimmzetteln, die für SWAPO votierten. Nach rund 20 Jahren Unabhängigkeit hat sich an diesem Ungleichgewicht nichts geändert. Der Grund: Eingeborene in Afrika wählen grundsätzlich nur Vertreter ihrer eigenen Stammesgesellschaft. Ein Herero würde niemals einen Ovambo Kandidaten wählen, und ein Rehoboth Baastards käme nie auf die Idee, sein Vertrauen etwa einem Herero zu schenken. Lieber wählt er überhaupt nicht. Unter solchen Voraussetzungen war es für die SWAPO ein Kinderspiel, dreimal hintereinander den Staatspräsidenten mit klarer Zweidrittel-Mehrheit zu stellen.
Im März 1999 erhob sich zum ersten Mal eine ernst zu nehmende Oppositionspartei, um der SWAPO Paroli zu bieten. Ben Ulenga, ehemaliger SWAPO Funktionär, gründete den CONGRESS OF DEMOCRATS (COD) dank seiner Popularität als Gewerkschafts- führer und Inhaftierung auf Robben Island. Zwar brachten die Wahlen im Dezember 1999 nahezu 77 Prozent aller Stimmen zugunsten von Sam Nujoma, doch Ulenga schaffte immerhin knapp 11 Prozent.
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Jungwählerin der Himba Ethnie.
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Nach den letzten Wahlen im November 2009 setzt sich das Parlament nun wie folgt zusammen:
1. SWAPO 54 Sitze
2. Rally for Democracy and Progress (RDP) acht Sitze
3. Democratic Turnhalle Alliance of Namibia (DTA) zwei Sitze
4. National Unity Democratic Organization (NUDO) zwei Sitze
5. United Democratic Front (UDF) zwei Sitze
6. All People´s Party of Namibia (APP) ein Sitz
7. Republican Party (RP) ein Sitz
8. Congress of Democrats (COD) ein Sitz
9. SWA National Union (SWANU) ein Sitz und
10. Monitor Action Group (MAG) ein Sitz.
Splitterparteien hatten zu keiner Zeit eine Chance gegenüber der allmächtigen SWAPO, waren aber auch untereinander derart zerstritten, daß sie sich nie auf einen „Bündnisblock“ einigen konnten, der ihre Aussichten verbessert hätte. Dabei blieben die Interessen der ethnischen Minderheiten weiterhin unberücksichtigt.
1. SWAPO 54 Sitze
2. Rally for Democracy and Progress (RDP) acht Sitze
3. Democratic Turnhalle Alliance of Namibia (DTA) zwei Sitze
4. National Unity Democratic Organization (NUDO) zwei Sitze
5. United Democratic Front (UDF) zwei Sitze
6. All People´s Party of Namibia (APP) ein Sitz
7. Republican Party (RP) ein Sitz
8. Congress of Democrats (COD) ein Sitz
9. SWA National Union (SWANU) ein Sitz und
10. Monitor Action Group (MAG) ein Sitz.
Splitterparteien hatten zu keiner Zeit eine Chance gegenüber der allmächtigen SWAPO, waren aber auch untereinander derart zerstritten, daß sie sich nie auf einen „Bündnisblock“ einigen konnten, der ihre Aussichten verbessert hätte. Dabei blieben die Interessen der ethnischen Minderheiten weiterhin unberücksichtigt.